Stimmen

Marion Jürgens

2003 bekam mein Mann die Diagnose. Es folgten Chemotherapie usw., das Übliche halt. Das Leben wurde von da ab anders gelebt – mit einem Damoklesschwert über der Beziehung und der Familie. Es traten Konflikte auf, die nach anderen Mustern ausgetragen und ertragen werden mussten. Ich wurde hilflos im Umgang mit der Krankheit meines Mannes. Ich konnte nur schwer auseinander halten, was es galt zu ertragen, weil es die Krankheit gab und was ganz einfach normal war.

In dieser Situation bekam ich von einer Freundin den Rat, mich an die psychoonkologische Ambulanz in Eppendorf zu wenden. Ich hatte nicht geglaubt oder erwartet mit so viel Verständnis, Sachverstand und echter Hilfe meine Situation als Angehörige so verändern zu können, dass es mir schon sehr bald besser ging.

Für mich war die Psychoonkologie der rettende Anker in einer miserablen Lebenssituation. Der Patient, in diesem Fall mein Mann, geht mit seiner Krankheit ganz individuell um. Als Partnerin musste ich lernen, dies zu akzeptieren und meinen eigenen Weg zu finden. Das war nicht einfach, aber die Gespräche hier haben mir sehr geholfen.

Rosemarie Kern

Mein Leben als geschiedene Frau mit einem behinderten Kind war alles andere als einfach. An meinem 60sten Geburtstag betrachtete ich mein vergangenes Leben und dachte, dass ich das alles gut gemeistert habe. Ich war mir sicher, dass es nun ruhiger und ausgeglichener werden wird. Wenig später bekam ich die Diagnose Brustkrebs.

Christoph Schlingensief schrieb in seinem Tagebuch einer Krebserkrankung: "So viele Kranke leben einsam und zurückgezogen, trauen sich nicht mehr vor die Tür und haben Angst, über Ängste zu sprechen. Ich habe erlebt, wie wichtig es ist, den Geschockten und aus der Bahn Geworfenen zurück ins Leben zu begleiten, ihn in seiner Autonomie als Erkrankten zu stärken, sich zu bemühen, seine Zweifel zu verstehen, ihm zu helfen, seine Ängste auszusprechen und diese – in welcher Form auch immer – zu modellieren. Die Erkrankung vor sich zu stellen, sie und sich selbst von außen zu betrachten – dieser ganzheitliche Blick ist wichtig und hilfreich."

Hier in Eppendorf in der Psychoonkologie habe ich Menschen getroffen, die fürsorglich mit mir und meinen Ängsten umgehen. Ich fühle mich geborgen und nicht ausgeliefert. Nach vielen Gesprächen, voll mit Angst, Wut, Resignation und Weinen aber auch mit Lachen und Spaß, kann ich jetzt aktuell sagen: Es geht mir gut!

Ich wünsche vielen Patienten den Mut, sich hier Hilfe und Unterstützung zu holen. Heute engagiere ich mich in dem neu gegründeten Freundeskreis Psychoonkologie. Unser Ziel ist es, Sponsoren zu finden, mit deren Beitrag die Arbeit in dieser Abteilung unterstützt und erweitert werden kann.

Gespräch mit Frank Schulz-Kindermann

Psychoonkologe und Psychotherapeut, Leiter der Spezialambulanz für Psychoonkologie

Frage: Wofür ist die Spezialambulanz für Psychoonkologie da?
Antwort: Viele Menschen, die an Krebs erkranken, sind überfordert und überlastet durch die Auseinandersetzung mit der Krebserkrankung und die vielen Behandlungen, die nötig sind. Sie brauchen Unterstützung, die sie in ihrem persönlichen Umfeld manchmal nicht finden oder dort nicht in Anspruch nehmen wollen. Dann können wir helfen: Den Patienten selbst und denjenigen, die auch von Krebs "betroffen" sind, den Familienmitgliedern, Freunden, Kollegen.

F: Für wen ist diese Hilfe besonders wichtig?
A: Für viele Krebspatienten ist die Konfrontation mit der Diagnose ein Schock, sie fühlen sich, als sei ihnen der Boden unter den Füßen weggezogen worden und ihr Leben plötzlich an einen Abgrund geraten. Bei manchen nehmen dann Ängste und Sorgen derart überhand, dass diese psychischen Schwierigkeiten den ganzen Alltag zu beherrschen drohen. Viele brauchen vor allem auch Hilfe bei der Bewältigung der medizinischen Therapien, sie können sich schwer auf die häufig sehr belastenden und nebenwirkungsreichen Behandlungen, wie Chemotherapie, Operation und Bestrahlung, einstellen. Einige machen sich vor allem auch Gedanken wegen ihrer Nächsten, sie sorgen sich um deren Versorgung. Sie werden von Zukunftsängsten geplagt und haben Angst vor der nächsten Kontrolluntersuchung. Schließlich haben viele auch finanzielle Schwierigkeiten, sind lange krank geschrieben, erholen sich nur sehr langsam oder sind zuweilen über lange Zeit, manchmal Jahre, chronisch krank.

F: Was können Sie für diese Menschen an Hilfen anbieten?
A: Zunächst geht es darum, die Bedrohung, das Leiden und die Verzweiflung anzuerkennen, es zu würdigen, es aus dem Tabubereich zu holen und ihm einen Raum zu geben. Dadurch verliert es bereits einen Teil seiner Bedrohung, wir können damit umgehen, uns damit auseinander setzen. Vieles von dem was wir tun, ist Erläuterung, Information, auch Moderation mit den anderen Beteiligten, den Familienmitgliedern oder auch den behandelnden Medizinern. Wir vermitteln, beraten bei der Planung der Rehabilitation, verweisen an andere Fachkolleginnen und –kollegen. Wenn Sorge und Angst sehr groß sind, wenn die Betroffenheit traumatisch zu werden droht, wenn die psychische Belastung die ganze Lebensgestaltung vereinnahmt, begleiten wir die Menschen psychotherapeutisch, mit intensiven, wöchentlichen Therapiegesprächen. Dabei bilden wir auch Therapiegruppen oder verwenden kreative Methoden, wie Kunsttherapie oder Musiktherapie. Fachkollegen aus der Psychiatrie oder der Kinder- und Jugendlichen- Psychotherapie unterstützen uns, wenn es um schwerere psychische Störungen geht oder wenn die minderjährigen Kinder Begleitung brauchen. Dieses gesamte Arbeitsfeld der psychosozialen Unterstützung und Begleitung von Krebspatienten und ihren Angehörigen heißt "Psychoonkologie".

F: Welche Kollegen gehören zu Ihrer Ambulanz?
A: Bei uns sind fast 20 Kolleginnen und Kollegen tätig, entweder auf den Stationen des UKE oder in unserer Spezialambulanz. Es sind vor allem Psychologinnen und Psychologen, Ärzte und andere Therapeuten. Alle haben eine spezielle psychoonkologische Weiterbildung sowie eine langjährige psychotherapeutische Zusatzausbildung. Viele haben außerdem spezielle therapeutische Verfahren gelernt, die besonders in der Arbeit mit Krebspatienten hilfreich sind, z.B. Hypnotherapie oder Traumatherapie. Das Team trifft sich mehrmals wöchentlich zur Verteilung der Neuanmeldungen, zur "Fallbesprechung", sowie zur Supervision, angeleitet von einem erfahrenen Supervisor. Wir führen regelmäßig interne Fortbildungen durch und bieten auch Informations- und Fortbildungsveranstaltungen für andere Kollegen und für Selbsthilfegruppen an. Schließlich sind wir, als Teil eines universitären Institutes, an den Lehrveranstaltungen für Medizinstudierende sowie an Forschungsprojekten der medizinischen Psychologie beteiligt. Insgesamt sind wir eng mit den Abläufen und Strukturen im UKE und besonders im Hubertus-Wald-Tumor-Zentrum, einem der 10 deutschen nationalen Krebszentren, verbunden.

Herr S.

Die psychosoziale Beratung am UKE nehme ich schon fast zwei Jahre in Anspruch. Immer wieder hat mir das Gespräch mit dem Therapeuten geholfen, den Alltag mit meiner Krebserkrankung - Gehirntumor - zu bewältigen. Wie sich Beziehungen zu Freunden und Familienmitgliedern dramatisch verändern können, das musste auch ich erleben. Manche Bindungen sind zerbrochen, andere Menschen haben sich als wahre Freunde in der Not erwiesen. Dies besser zu verstehen und zu ertragen, dabei haben mich die therapeutischen Gespräche sehr unterstützt.

Nicht zuletzt bin ich der Stiftung dankbar für die finanzielle Unterstützung meiner Anreise zu den regelmäßigen Untersuchungen und Arztbesuchen in Hamburg (u.a. MRT). Für mich als Rentner, der sich aus finanziellen Gründen überwiegend im Ausland aufhält, ist diese Hilfe von mehr als materiellem Wert. Mein Dank gilt auch allen Spendern.

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